Diese Tipps geben Spitex-Angestellte älteren Menschen

BZ 22.06.22 // Seniorinnen und Senioren leiden besonders unter Hitzeperioden. Da sind gerade Spitex-Angestellte, die ihnen Ratschläge erteilen, wichtig.

Es ist halb acht in der Früh, und die Stadt Bern heizt sich bereits langsam auf – knapp 20 Grad zeigt das Thermometer an. In Silvia Nusslis Wohnung nahe dem Loryplatz sind die Fenster weit geöffnet. Dies ist der erste Punkt auf Nusslis «Spickzettel» für Hitzetage: frühmorgens durchlüften.

Die 91-jährige Seniorin ist noch mobil, die aktuelle Hitzewelle schränkt sie allerdings ziemlich ein. Anstelle ihrer Spaziergänge im Freien sei sie in den letzten Tagen im kühlen Kellergang auf und ab gelaufen – ganz ohne Bewegung würde sie «innert kurzer Zeit verrosten». Termine am Nachmittag, beispielsweise einen Besuch bei der Kosmetikerin, hat sie abgesagt, und für das tägliche Mittagessen im Altersheim nimmt sie den Bus.

Mit Freundinnen jammern

«Die Hitze ist bei allen Klientinnen aktuell ein grosses Thema», sagt Vangelica Mitrova von der Spitex Bern, die Silvia Nussli seit gut einem Jahr unterstützt. Sie sensibilisiert ihre Kundinnen und Kunden so gut wie möglich auf das Thema und achtet darauf, dass sie genügend Wasser trinken – mindestens 1,5 Liter täglich, wenn möglich ungekühlt.

Besonders bei Personen mit Demenz kann dies eine Herausforderung sein. «Wir hängen dann Zettelchen in der Wohnung auf und stellen gefüllte Wassergläser auf den Tisch, um sie daran zu erinnern», sagt Mitrova.

Wichtig sei zudem, dass ältere Menschen körperliche Anstrengungen vermieden und tagsüber möglichst zu Hause blieben. Dies könne bei gewissen Seniorinnen und Senioren dazu führen, dass sie sich einsam fühlten. Gerade Menschen mit Adipositas könnten an Hitzetagen kaum nach draussen und seien deshalb in dieser Zeit sozial isoliert. Silvia Nussli hat sich auch dazu einen Punkt auf ihren Spickzettel notiert: mit Freundinnen jammern. Für den heutigen Tag hat sie bereits eine Liste mit Personen gemacht, die sie anrufen möchte.

Kissen in den Kühlschrank

Während einer Hitzewelle übersteigt die Temperatur tagsüber 30 und nachts 20 Grad – sogenannte Tropennächte. Viele Menschen bekunden dann Mühe beim Einschlafen, besonders ältere Menschen, die Wärme weniger gut regulieren können.

Vangelica Mitrova rät ihren Kundinnen daher, abends nicht zu schwer und fettig zu essen und lauwarm – nicht kalt – zu duschen. Ihr Geheimtipp ist, das Kissen vor dem Schlafengehen für einige Minuten in den Kühlschrank zu legen – eine wunderbare Abkühlung sei dies.

Lebensbedrohliche Gefahr

Mit dem Klimawandel wird die Häufigkeit von Hitzewellen und -sommern zunehmen. Und damit auch die damit verbundenen Gefahren. Für ältere oder chronisch kranke Personen, schwangere Frauen sowie Kleinkinder können die hohen Temperaturen lebensbedrohlich sein. Im Sommer 2003, dem heissesten Sommer seit Messbeginn 1864, starben in der Schweiz knapp 1000 Personen aufgrund der Hitze, was eine Übersterblichkeit von 6,9 Prozent bedeutete.

Auch im drittheissesten Sommer im Jahr 2019 starben gut 500 Personen und damit 3,5 Prozent mehr als üblich. Gemäss dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz sind Hitzewellen gar eine der grössten künftigen Gefährdungen für die Schweiz.

Vangelica Mitrova hat ihre Visite bei Frau Nussli mittlerweile fast beendet, es fehlt nur noch ein kühlendes Fussbad. Am liebsten würde Silvia Nussli noch in die Aare schwimmen gehen, was aufgrund ihres Alters mittlerweile nicht mehr möglich ist. Früher sei sie allerdings ein «richtiger Marzilimensch» gewesen. Die 91-Jährige schwärmt: «Das Schwimmen in der Aare gibt eine Massage, die dem ganzen Körper wohltut.»